Einer der größten Kunststoffspritzgießer Europas sucht neue Kollegen und setzt sich gegen die Vorverurteilung von Kunststoff durch die Öffentlichkeit ein.
Creglingen. Es sind einige große Stellschrauben, an denen Wirthwein momentan dreht: Neben der strategischen Neuausrichtung unter den Stichwörtern Fokussierung und Konsolidierung arbeitet das Unternehmen an seiner Arbeitgebermarke. Wirthwein ist das viertgrößte Unternehmen im Bereich Kunststoffspritzguss in Europa und einer der TOP-Arbeitgeber der Industriezuliefererbranche. Gleichzeitig registriert das Unternehmen bei jungen Erwachsenen und in der Öffentlichkeit eine gewisse Abneigung gegen die Kunststoffindustrie, weshalb man sich nun auch gezielt kommunikativ positionieren will, dass Kunststoffe ein Segen sind, wenn man sie richtig einsetzt und recycelt.
Seit einiger Zeit ist die Kunststoffindustrie einem kontinuierlich zunehmenden Preisdruck ausgesetzt. „Zusätzlich wurden wir in den letzten drei Jahren durch mehrere Krisen – Coronapandemie, Ukrainekrieg, unterbrochene Lieferketten – und daraus resultierenden explodierenden Energiekosten, global steigender Inflation, Kaufzurückhaltung, aber auch dem Wandel zur E-Mobilität und nachhaltigem Wirtschaften, vor enorme Herausforderungen gestellt.“ erklärt Marcus Wirthwein: Dies führte im Geschäftsjahr 2022 auf Gruppenebene zu einem deutlichen Ergebnisverlust.
In 2023 setzt sich diese konjunkturelle Abkühlung fort. Die jüngst vom Branchenmagazin „K-Profi“ veröffentliche Konjunkturumfrage innerhalb der kunststoffverarbeitenden Industrie unterstreicht dies: 61 Prozent der 500 teilnehmenden Betriebe gab an, dass sich ihr Geschäft im ersten Halbjahr 2023 im Vergleich zum zweiten Halbjahr 2022 verschlechtert habe. Mit einer Verbesserung der Lage rechnen die meisten Verarbeiter frühestens im Jahresverlauf 2024. Für Wirthwein ist die aktuelle Situation ebenfalls eine Herausforderung, allerdings werden im Unternehmen im Moment die Weichen gestellt, um kurz,- mittel- und langfristig gestärkt aus der konjunkturellen Schwächephase herauszukommen: „Mit kurzfristigen Maßnahmen zur Ergebnisverbesserung, die teils sehr schmerzhaft sind, wird das Ergebnis im laufenden Jahr zurück in die Gewinnzone geführt“, erklärt Finanzvorstand Dr. Ralf Zander.
Strategie 2.0 „We Focus“
Zur nachhaltigen Verbesserung der Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit wurde die in 2019 festgelegte Strategie deutlich nachgeschärft und wird aktuell umgesetzt. Die „We Focus“-Strategie von Wirthwein stützt sich auf vier Säulen – Kunden, Technologien, Produkte und Regionen – in denen Wirthwein zukünftig stärker klare Prioritäten setzen wird. Ein global ausgewogener und regional klar abgegrenzter Kunden- und Produktmix wird die Grundlage sein, um nicht weltweit in Abhängigkeiten zu geraten und wird ein profitables und finanzierbares Wachstum ermöglichen. Die Fokussierung auf sieben geschäftsfeldübergreifende Applikationen – Thermo Management, Kabelführung, Struktur- und Funktion, Exterior, Interior, Antriebsstrang, Pharma und Diagnostik – und daraus abgeleitet Produktgruppen sind die Leitplanken für den zukünftigen Produktmix und die Vertriebsaktivitäten. „Innovationen für Prozesse und Produkte mit Fokus auf die Wirthwein-Kernkompetenz, den Spritzguss, werden uns noch stärker zu einem der führenden Lösungsanbieter für hochvolumige, technische Kunststofflösungen weltweit machen“, erklärt Technikvorstand Holm Riepenhausen. Vertriebsvorstand Thomas Kraus unterstreicht die Marschrichtung: „Wir werden unsere Ressourcen künftig gesamtheitlicher nutzen und speziell in den Regionen APAC (Wirtschaftsraum Asien-Pazifik) und Americas die Kompetenzen weiter ausbauen. In den beiden genannten Regionen werden wir auch verstärkt die Potentiale mit lokalen Kunden in den Fokus nehmen, Stichworte sind eine höhere Marktdurchdringung, gesteigerte Wettbewerbsfähigkeit und Schnelligkeit.“ Um den globalen Marktveränderungen zu folgen, ändert sich auch teilweise der Fokus in den neu bezeichneten und nun auch international ausgerichteten sechs Geschäftsfeldern: Mobility, Rail Infrastructure, Home Appliance, New Energy, Medical und Interior Design.
Stärkung der Arbeitgebermarke
Die strategische Fokussierung, die Erschließung neuer Märkte und der Ausbau von Know-how und Kapazitäten über die gesamte Wertschöpfungskette der Kunststoffverarbeitung bietet auch zahlreiche neue Chancen und Möglichkeiten für die rund 3.500 Mitarbeiter, sowie auch für potentielle Bewerber. Die Agilität im Unternehmen schafft abwechslungsreiche Herausforderungen mit jeder Menge Zukunftspotential. Wirthwein bietet interessante Positionen über die gesamte Bandbreite an Qualifikationen und Einstiegsniveaus. Gesucht werden Menschen, die Spaß haben, Ideen umzusetzen und Freude am Umgang mit einer großen Vielfalt an Menschen, Produkten und Prozessen finden. Dank der ganzheitlichen und internationalen Ausrichtung ergeben sich täglich neue spannende Perspektiven und Herausforderungen. „Macher gesucht“: Wer sich für Digitalisierung, Lean-Management sowie innovative Technologien in einer produktiven, familiären Arbeitsatmosphäre begeistert, kann bei Wirthwein in neue Aufgabengebiete und Projekte hineinwachsen und Verantwortung übernehmen. Zumal Wirthwein dabei kein kleiner Marktplayer innerhalb der kunststoffverarbeitenden Industrie ist, sondern sich inzwischen zum viertgrößten Spritzgießunternehmen in Europa hochgearbeitet hat. Dementsprechend will die Unternehmensgruppe künftig auch stärker die Stimme erheben, um das öffentliche Image von Kunststoff zu korrigieren.
Kunststoffe sind ein Segen – wenn man es richtig macht
„Plastik“ ist heute weitestgehend verpönt und die Bilder von vermüllten Stränden oder getöteten Tieren haben uns alle – völlig zurecht – aufgeschreckt. Dabei ist Kunststoff kein Müll, sondern wertvoller Rohstoff, der ressourcenschonend vielfach verwendet werden muss. Die Lösung heißt „Recycling“, wozu es ein weltweit funktionierendes Abfallmanagement, einen bewussten Einsatz von Kunststoffrohstoffen und Technologieoffenheit für den Einsatz von Regranulaten innerhalb des Herstellungsprozesses braucht. Bereits beim Produktdesign muss die spätere Recyclingfähigkeit berücksichtigt werden, denn Verbundstoffe sind häufig schlecht zu trennen und können nur noch thermisch verwertet werden.
Das Forcieren von langlebigen Produkten ist ein weiterer wichtiger Baustein zur Ressourcenschonung und zum aktiven Klimaschutz. Banal gesprochen: Alles was nicht kaputt geht, muss nicht neu produziert, transportiert und irgendwann doppelt und dreifach entsorgt werden.
Im Zentrum stehen Bildung und Aufklärungsarbeit – und genau hier will sich Wirthwein künftig verstärkt einbringen. Denn nur mit Kunststoffen kann die Energiewende gelingen: Rotorblätter von Windrädern, Gehäuse und Isolierungen bei PV-Anlagen, der Transport von Fernwärme und Wasserstoff, wie auch Energiespeicher sind ausschließlich mit Kunststoffen realisierbar. Die Mobilitätswende hin zu E-Fahrzeugen ist nur mit leichten Kunststoffen möglich, zusätzlich braucht es strom- und temperaturleitende sowie medienbeständige Compounds. Auch auf dem Bau geht es nur mit Kunststoffen: Dämmungen, Fenster, Rohre, Kabelummantelungen, Bodenaufbauten und die gesamte technische Ausstattung. Und schließlich rettet Kunststoff auch Leben: In der Medizintechnik bestehen Spritzen, Ampullen, Beatmungsgeräte, Verpackungen, Implantate, Prothesen und vieles mehr aus Kunststoff. Die Aufklärungsarbeit der Kunststoff verarbeitenden Industrie, für die Wirthwein in bedeutender Rolle steht, soll für einen nachhaltigeren Umgang mit Kunststoff sensibilisieren, aber auch für eine bessere Reputation und faire Darstellung im öffentlichen Meinungsbild sorgen.