Riegler berichtet im Plastverarbeiter über Reinraumkompetenz

Mitarbeiterin in Reinraum

Die Medizintechnikbranche gehört zu den größten Wachstumsmärkten der Kunststoffverarbeiter. Die mitteleuropäische Industrie kann sich hier behaupten, weil sie den damit einhergehenden, komplexen Anforderungen der Reinraumproduktion gewachsen ist. Der Plastverarbeiter unterhielt sich mit Dr. Thomas Jakob über die speziellen Herausforderungen der Reinraumproduktion. Jakob verantwortet seit Mitte 2016 den Geschäftsbereich Medizintechnik von Wirthwein und ist auch gesamtverantwortlich für das Tochterunternehmen Riegler in Mühltal.

 

Seit wann produziert Riegler und seit wann in Reinräumen?

Die Reinraumproduktion wurde Anfang der 90er Jahre geplant, 1994 fiel der Startschuss für die Reinraumproduktion.

 

In welchen Reinräumen produzieren Sie?

Wir produzieren in Reinräumen ISO-Klasse 7 nach DIN ISO 14644 aber auch in sogenannten Sauberräumen. Insgesamt haben wir aktuell acht voneinander getrennte Reinräume, die zur Risikominimierung für unsere Kunden auf drei Produktionsstandorte verteilt sind. Eine Besonderheit ist ein Reinraum ISO 7, in dem wir durch zusätzliche Maßnahmen eine DNA-/RNA-Freiheit für spezielle Anwendungen im Bereich Diagnostik sicherstellen können. Weiterhin sind wir aktuell in der Endphase der Planung zum Bau von zwei weiteren Reinräumen mit Fertigstellungstermin Ende 2017. Die zwei neuen Reinräume werden wir nach ISO 8 auslegen. Dadurch sind wir für die künftigen Anforderungen einer Reinraumproduktion für unsere Kunden aus den Bereichen Diagnostik, Medizintechnik, Pharma und Kosmetik gerüstet.

 

Was ist das Besondere an den speziellen Reinräumen mit DNA-/RNA-Freiheit?

Als Systemlieferant im Bereich Diagnostik decken wir zahlreiche Anwendungsgebiete ab. Dabei kommt der molekulargenetischen Diagnostik als einer der Anwendungen der Gentechnologie in der medizinischen Praxis bereits heute eine zentrale Bedeutung zu. Die molekulargenetische Diagnostik ermöglicht es unter anderem, genetisch bedingte Ursachen oder Veranlagungen zu Krankheiten lange vor Ausbruch der eigentlichen Krankheit zu bestimmen. Parallel hierzu gibt es aber auch spannende Anwendungen im Bereich der Forensik, um Kriminalfälle aufzuklären. Bei der Produktion derartiger Kunststoffkomponenten und Geräte muss ein Unternehmen sicherstellen, dass in keinem Fall DNA- beziehungsweise RNA-Spuren eines Mitarbeiters die zu produzierenden Produkte kontaminiert. Andernfalls würde der Produzent der verwendeten Kunststoffkomponenten die Aufklärung von Kriminalfällen verhindern oder zumindest verzögern. 

 

Wie stellen Sie die Einhaltung der Reinheit sicher?

Wir haben ein definiertes und kontrolliertes Überwachungssystem unserer Reinräume. Zur Messung und Überwachung setzen wir ein definiertes Partikelmonitoring, Lecktests, Differenzdrucküberwachungen, mikrobiologisches Monitoring sowie definierte Qualifzierungsabläufe ein. Für die Einhaltung von Sauberkeit, Hygiene und Reinheit ist aber immer jeder Mitarbeiter verantwortlich. Analog zur 100-Prozent-Prozesskontrolle überwachen wir im Reinraum auch Temperatur, Druck und Feuchte zu 100 Prozent.


Führen Sie spezielle Mitarbeiterschulungen für den Reinraum durch?

Hier sprechen Sie einen für uns wichtigen Aspekt an: Die Qualifizierung und die Weiterbildung unserer Mitarbeiter. Qualifizierte Mitarbeiter in einem altersgemischten Team ist die Basis für einen nachhaltigen und auch langfristigen Unternehmenserfolg. Wir haben erst Ende 2016 alle unsere Mitarbeiter gezielt geschult. Dabei war uns wichtig, den Fokus auf einen unternehmensübergreifenden Schulungsansatz zu legen. Dies betrifft die Bereiche Produkt, Prozess, Qualität sowie Hygiene.


Können Sie in Ihren Reinräumen alle Werkzeuge, Maschinen und Montageanlagen einsetzen?

Unsere Reinraumkonzepte ermöglichen das Andocken von Spritzgieß- und Extrusionsblasmaschinen an die Reinräume. Dabei setzen wir je nach Anwendungsfall sowohl vollhydraulische, elektrische und auch Hybridspritzgießmaschinen ein. 
Insbesondere bei den Werkzeugen ist es essentiell, auf einen Produktionsbetrieb mit reduzierter, beziehungsweise freier Schmier- und Hilfsstoffverarbeitung zu achten, insbesondere im produktberührenden Bereich. Das beachten unsere Konstruktions- und Entwicklungsabteilung sowie unser Projektmanagement daher schon beim Design mit der richtigen Auslegung für eine spätere Reinraumproduktion.
Unsere Montageanlagen stehen in separaten Reinräumen ISO 14644-1 Klasse 7 für die vollautomatisierte Konfektion, Montage, Labeling und Verpackung. Sie decken alle gängigen Konfektionierungsschritte ab: Zum Beispiel Bedrucken und Schweißen, hier beispielsweise Ultraschall, Spiegel- sowie Laserschweißen. Aber auch komplexe Montageschritte sowie die 100-Prozent-Kamerakontrolle führen wir darin aus. 


Was ist aus Ihrer Sicht für die internationale Wettbewerbsfähigkeit entscheidend?

Für anspruchsvolle Kunststoffprodukte sind leistungsstarke und präzise arbeitende Werkzeuge, Peripheriegeräte und ein hoher Automationsgrad unverzichtbar, um im internationalen Vergleich zu bestehen. Weiterhin ist gerade die Kombination aus qualifizierten Mitarbeitern und automatisierten Prozessen entscheidend für eine stabile Qualität.